Der Orden der Tempelritter

In der Rückschau ins Hochmittelalter nimmt der Orden der Tempelritter eine zentrale Stelle ein. Aus ihm rekrutieren sich in der gegenwärtigen Inkarnation die Mitglieder des Rosenkreuzer-Bundes, der im «Hüter der Schwelle» geschildert wird.

Die Tempelritter haben den Pfad der Christlichen Einweihung beschritten, allerdings in einer mehr unbewussten, unsystematischen Weise, indem sie sich mit ungeheurer Gemütstiefe in die Schilderungen des Mysteriums von Golgatha versenkt haben, wie sie namentlich im zweiten Teil des Johannes-Evangeliums gegeben werden.

„Und bei einzelnen Templern bildete sich in einem höchsten Grade aus dieses ganze Erfülltsein der Seele mit dem Empfinden von dem Mysterium von Golgatha, mit dem Empfinden von all dem, was mit dem christlichen Impulse zusammenhängt. Stark und intensiv wurde die Kraft dieses Verbundenseins mit dem Christus in den Templern. Das war ein richtiger Templer, der gewissermaßen nichts mehr von sich wußte, sondern, wenn er empfand, den Christus in sich empfinden ließ, wenn er dachte, den Christus in sich denken ließ, wenn er begeistert war, den Christus in sich begeistert sein ließ. Waren es vielleicht wenige, aber gegenüber der gesamten Masse des Tempelrittertums war es immerhin eine stattliche Anzahl von Männern, in denen dieses Ideal eine völlige Umwandelung, eine ganze Metamorphose des Seelenlebens bewirkt hat, die Seele wirklich oft und oft herausgebracht hat aus dem Leibe, sie leben hat lassen in der geistigen Welt.

Dadurch war etwas ganz Merkwürdiges im Kreise der Templer vor sich gegangen; etwas ganz großartig Gewaltiges war dadurch im Kreise der Templer vor sich gegangen, ohne daß diese Templer gekannt hätten die Regeln der christlichen Initiation durch etwas anderes als durch den Opferdienst. Zuerst in den Kreuzzügen, dann in dem geistigen Wirken in Europa, wurde ihre Seele von der intensiven Hingabe an die christlichen Impulse und an das Mysterium von Golgatha so inspiriert, daß das Resultat war das Erleben der christlichen Einweihung bei vielen Templern, bei einer stattlichen Anzahl der Templer. Und wir haben das welthistorische Ereignis vor uns, daß auf weltgeschichtlichem Untergrunde einer Reihe von Männern aus den Untergründen, aus dem Schoße des menschlichen Werdens heraus die christliche Einweihung erwächst, das heißt, das Schauen derjenigen geistigen Welten, die dem Menschen zugänglich werden sollen durch die christliche Einweihung.“ (Lit.: GA 171, S 123f)

Zeit und Ort

der Handlung dürfen wir uns ähnlich denken, wie in dem Roman «Die Kinder der Liebe» von Karl Ivelin beschrieben, den Rudolf Steiner als literarische Anregung für die Rückschau in das Spätmittelalter verwendet hat:

"ln der Zeit, in welcher sich die Ereignisse zutrugen, von welchen unsere Erzählung handelt, im Anfange des 14. Jahrhunderts, war die Gegend um Bernstein, Schlaining bis nach Güns und nördlich bis zu den Alpen, weit und dicht von undurchdringlichen Urwäldern überwachsen, aus denen graue Höhen und die stolzen Warttürme der umliegenden Burgen wie die unheimlich lauernden Wächter eines erbarmungslosen Zwingherrn hervorragten; nur in den grünen, grasreichen Tälern bemerkte man im Werden begriffene Ansiedlungen, deren roh gezimmerte Hütten von bebautem Land umrahmt waren.

Wenn man die traurigen Gestalten der Einwohner in den entferntesten Tälern so ängstlich und furchtsam um ihre Hütten herumschleichen sah, schien es, als ob der starre Druck schmählicher Unterjochung und Verheerung, mit welchem das Land durch die Tartaren unter Bela IV heimgesucht worden war, noch immer mit seinen tieferschütternden Nachwehen auf ihnen eisig und lastend ruhe und sie von jeder freien, regsamen Bewegung ausschließen wolle. Dagegen war unterhalb Lockenhaus und im Tale bei Banya, damals Szlavabanya genannt, reges Leben.

Dumpfe, eherne Schläge wuchtiger Hämmer und mächtige Rauchsäulen bekundeten bei Lockenhaus das Dasein großer Eisenwerke, wie das gewaltige ferne Getöse bei Banya auf zahlreiche Pochwerke und demnach auf großartigen Bergwerksbetrieb schließen ließ.

Hier und dort waren es Deutsche, deren Väter aus Bayern und dem Erzgebirge von König Bela IV, dem zweiten Gründer Ungarns, ins Land gerufen worden waren unter der Verheißung großer Rechte und kräftiger Unterstützung. Hier zu Lockenhaus unter dem Schutze der Templer, dort zu Banya unter der Führung mächtiger Gewerken entwickelten sie ihre Tätigkeit, bevölkerten die Gegend und förderten den Wohlstand durch Betreibung der Industrie des Bergbaus." (Lit.: Ivelin, S 11)

Lockenhaus und Bernstein

Für die Gestaltung der Templerburg hat Rudolf Steiner nach den Erinnerungen Oskar Schmiedels sehr konkrete Angaben gemacht. Sie wäre im Burgenland gelegen und soll äußerlich der Burg Bernstein gleichen und der Templersaal, in dem sich die Ordensbrüder versammeln, dem der Burg Lockenhaus.

„Von der mittelalterlichen Szene in der Prüfung der Seele sagte Dr. Steiner, dass die Burg in den östlichen Zentralalpen gelegen war, sie habe wirklich existiert, und wurde möglichst getreu nachgebildet (die Burg hatte im Äußeren und Inneren eine mehr gotische Form). Soweit ich mich erinnere, war die Waldwiese mit einer Mauer abgeschlossen, die anscheinend das Besitztum der Ritter abgrenzte. Im Übrigen traten die Bauern gleichzeitig, wie dies bei einem Kirchgang ja üblich ist, auf.“ (Lit.: Hammacher 2010, S 523)

„Die Burgen Bernstein und Lockenhaus sind auch insofern interessant, als sie anscheinend Vorbilder waren für die mittelalterliche Burg in Rudolf Steiners zweitem Mysteriendrama «Die Prüfung der Seele». Dr. Steiner hatte angegeben, dass diese Burg auf der Bühne möglichst treu nach einer vorhandenen Templerburg gebracht werden solle. Nun war tatsächlich bei der Münchener Aufführung 1911 das Äußere der Burg im Bühnenbild ähnlich der Burg Bernstein, der Saal jedoch dem Templersaal in Burg Lockenhaus.“ (Lit.: ebenda)

Gilgamesch und der «Herzberg»

Hier im Burgenland, am Westrand der pannonischen Tiefebene, wenige Kilometer nördlich von Bernstein bei Redlschlag in den Ausläufern der Buckligen Welt liegt auch der von Rudolf Steiner erwähnte «Herzberg», auf dem die Mysterienstätte gelegen haben soll, in der im dritten vorchristlichen Jahrtausend Gilgamesch seine Einweihung empfangen hat. Den Namen «Herzberg» dürfte Steiner aus dem erwähnten Roman von Karl Ivelin übernommen haben.

"Wenn man die von Wiener-Neustadt über Kirchschlag nach Ungarn führende Straße in Kirchschlag verläßt, um über Bernstein auf einem kürzeren, wenn auch steileren, aber ob der anziehenden Gegend lohnenderen Gebirgsweg ins Bad Tatzmannsdorf zu gelangen, erreicht man in einer Wegstunde oberhalb des Gebirgsdorfes Redlschlag eine der höchsten Gebirgsspitzen des Eisenburger Komitats, den sogenannten ,,Herzberg" oder die „Redlschlager Höhe“, wo die Blicke unwillkürlich gefesselt werden durch das Landschaftsbild, das der westliche Teil des Eisenburger Komitats hier bietet, das Land der Hienzen genannt, das durch seine Großartigkeit zu den schönsten Gebirgslandschaften zählt.

Nach allen Seiten ist die Aussicht gegen Österreich, Steiermark, Krain, Kroatien und das tiefe Ungarn unbeschränkt, und der Genuß, den der Anblick dieser wildromantischen Umgebung gegen Norden, der anmutigen Gefilde mit sanftgedehnten Hügelketten gegen Süden gewährt, entschädigt für die Mühe, die das Ersteigen dieses Gebirgsweges gekostet hat." (Lit.: Ivelin, S 7)

Der Name «Herzberg» ist zwar in der Gegend unbekannt und auch auf alten Karten nicht verzeichnet, konnte aber mittlerweile mit dem „Steinstückl“ identifiziert werden.

„Er traf in einer Gegend, die etwa in demselben Gebiete liegt, von dem in der neueren Zeit viel die Rede war, das aber in bezug auf seine sozialen Zustände natürlich sich sehr geändert hat, er traf in dem Gebiete des sogenannten Burgenlandes, über das gestritten worden ist, ob es zu Zisleithanien oder zu Ungarn gehören sollte, in einem Gebiet also des Burgenlandes, ein altes Mysterium. Der Oberpriester dieses Mysteriums wird im Gilgamesch-Epos Xisuthros genannt. Er traf ein altes Mysterium, das eine echte Mysterien-Nachform der alten atlantischen Mysterien war, natürlich in einer Metamorphose, wie das in einer so späten Zeit der Fall sein konnte.

Und in der Tat, in dieser Mysterienstätte wußte man die Erkenntnisfähigkeit des Gilgamesch zu beurteilen, zu würdigen. Man wollte ihm entgegenkommen. Es wurde ihm eine Prüfung auferlegt, die dazumal vielen Schülern der Mysterien auferlegt worden ist. Die Prüfung bestand darin, gewisse Exerzitien zu machen bei vollem Wachsein durch sieben Tage und sieben Nächte. Das ging für ihn nicht. Und so unterwarf er sich denn nur dem Surrogat einer solchen Prüfung. Und dieses Surrogat bestand darin, daß ihm gewisse Substanzen zubereitet wurden, die er in sich aufnahm und durch die er in der Tat eine gewisse Erleuchtung bekam, wenn auch, wie es auf diesem Felde immer der Fall ist, wenn nicht gewisse Ausnahmebedingungen garantiert sind, diese in gewissem Sinne zweifelhaft waren. Aber eine gewisse Erleuchtung war nun bei Gilgamesch vorhanden, eine gewisse Einsicht in die Weltenzusammenhänge, in das geistige Gefüge der Welt. So daß, als Gilgamesch diese Wanderung vollendet hatte und wiederum zurückkehrte, in ihm in der Tat eine hohe geistige Einsicht vorhanden war.“ (Lit.: GA 233, S 52f)

Die Geschichte des Templerordens

Der Templerorden, genauer die Arme Ritterschaft Christi und des salomonischen Tempels zu Jerusalem (lat. Pauperes commilitones Christi templique Salomonici Hierosalemitanis), war die erste Ordensgemeinschaft, die die Ideale des Mönchtums und des vom Adel getragenen Rittertums vereinigte und wurde um 1119 in der Folge des Ersten Kreuzzugs gegründet. Der Name leitet sich davon ab, dass König Balduin II. dem Orden einen Flügel seines auf den Ruinen des Salomonischen Tempels errichteten Palastes als Quartier überlassen hatte. Die Ordensritter werden als Templer, Tempelritter oder Tempelherren bezeichnet. Die Ordensregeln gründeten auf denen des Benedikt von Nursia und wurden von ursprünglich 72 bis 1260 auf 686 erweitert und schon bald ins Französische übertragen, da nur wenige Tempelritter des Lateinischen mächtig waren. Während der folgenden Kreuzzüge bildeten die Tempelritter eine direkt dem Papst unterstellte militärische Eliteeinheit. Neben ihren unmittelbaren militärischen Aufgaben sorgten sie auch für den Schutz der Pilger und entfalteten darüber hinaus vielfältige wirtschaftliche und organisatorische Aktivitäten. Sie vergaben Geldanleihen, die auch von Muslimen in Anspruch genommen wurden, und erfanden eine Art von Kreditbrief als frühen Vorläufer des Reiseschecks verbunden mit einer sehr fortschrittlichen Form der Buchführung, wobei sie ihre umfangreichen praktischen Tätigkeiten stets in engem Einklang mit ihrer spirituellen Gesinnung auszuüben suchten.

Ihr hingebungsvolles Streben führte viele Templer ohne geregelte Schulung bis hin zur christlichen Einweihung. Sie mussten dabei aber auch all die Anfechtungen durch die Widersachermächte erleben, die jede geistige Entwicklung notwendig begleiten. Das starke geistige Streben der Templer brachte zugleich auch eine gewisse Gefahr, einseitig der lichtvollen luziferischen Versuchung zu verfallen; das rief notwendig ahrimanische Gegenkräfte auf den Plan.

Dieser „Orden, der es tatsächlich fertiggebracht hatte, die ganze Wirtschaft selbstlos zu verwalten, so daß kein Mensch mehr durch den anderen ausgenutzt wurde“ (Lit.: G. Klockenbring, S. 33), war aufgrund seines selbstlosen Reichtums, den „Haß-Inspirationen“ und der Geldgier des damaligen französischen Königs Philipps des Schönen, der zuvor erfolglos versucht hatte, in den Templerorden aufgenommen zu werden, massiv ausgesetzt, nachdem jener im Zusammenwirken mit Papst Clemens V., begonnen hatte, gegen den Orden vorzugehen.

Clemens V. hielt sich abwechselnd in Bordeaux, Poitiers und Toulouse auf. Im März 1309 bestimmte er schließlich auf Drängen des Königs Avignon zum neuen Sitz der Päpste, womit das so genannte babylonische Exil der Kirche begann, das erst 1377 Papst Gregor XI. beendete.

Am 14. September 1307, dem symbolträchtigen Fest der Kreuzerhöhung, ließ Philipp IV. die Haftbefehle für die Tempelritter ausfertigen und an alle zuständigen Stellen versenden mit der Auflage, die versiegelten Briefe genau zur gleichen Zeit am Freitag, den 13. Oktober 1307 zu öffnen und laut den enthaltenen Befehlen zu verfahren. Auf einen Schlag konnten so die meisten Templer verhaftet werden, nur wenigen gelang die Flucht. Geständnisse wurden, wenn nötig, durch grausame Folter erzwungen und umgehend der erste Verfahrensgang des Templerprozesses eingeleitet. Von den 138 im Temple von Paris festgenommenen Templern gestanden alle außer fünf die ihnen vorgeworfenen Vergehen. Ab 19. Oktober 1307 wurde die Inquisition hinzugezogen und am 24. Oktober fand das erste Verhör des Großmeisters Jacques de Molay durch den dominikanischen Inquisitor Guillaume Imbert statt.

Die Tempelritter wurden der Ketzerei angeklagt; bei seltsamen Ritualen würden sie das Kreuz bespucken, Christus verleugnen und statt dessen den Götzen Baphomet anbeten und Sodomie im Sinne homosexueller Handlungen begehen. Durch den geschickten Einsatz der Folter und der dadurch erzwungenen Bewusstseinstrübung konnte Philipp sehr leicht derartige Visionen aus den Gefangenen herauspressen lassen.

„Möglichst viele Leute zu foltern, das gehörte mit in die Intentionen Philipps des Schönen. Und die Folterung wurde in der grausamsten Weise vollzogen, so daß eine große Zahl, ja die größte Zahl der gefolterten Tempelritter bis zur Bewußtlosigkeit gefoltert wurden. Das wußte Philipp IV. der Schöne, was da herauskommt, wenn das Bewußtsein getrübt wurde, wenn diese Leute auf der Folter liegen unter den entsetzlichsten Qualen; er wußte: da kommen die Bilder der Anfechtungen heraus! “ (Lit.: GA 171, S 126)

„Bafomet, das ist ein Wesen der ahrimanischen Welt, welches den Leuten erschien, wenn sie gefoltert wurden. Das ist raffiniert gemacht worden. Dann haben sie eine Menge von Visionärem mitgenommen, als sie ins Bewusstsein zurückgekommen sind.“ (Lit.: GA 300a, S 130)

Zwar protestierte Papst Clemens V. am 27. Oktober 1307 offiziell gegen die Verhaftung der Templer, die angewandte Folter und die Einziehung der Güter, doch davon ließ sich Philipp IV. nicht beeindrucken. Schon am nächsten Tag, den 28. Oktober 1307, ließ er den Großmeister Jacques de Molay und einige seiner Mitbrüder vor einer Versammlung von Prälaten und Doktoren der Universität auftreten, wo der Großmeister sämtliche dem Orden vorgeworfenen Vergehen eingestand und sogar ein Schreiben besiegelte, in dem er alle Templer zum Geständnis aufforderte. Seine wahren Beweggründe dafür blieben unbekannt; jedenfalls wurde in der Folge für die geständigen Ritter das Todesurteil ausgesetzt und in lebenslange Haft umgewandelt. Nach wochenlangen zähen Verhandlungen mit Philipp unterzeichnete Clemens V. am 22. November die Bulle Pastoralis Praeeminentiae, die die Verhaftung der Templer in allen Ländern und deren Überstellung an die Kirche anordnete.

Mit seinen engsten Gefolgsleuten wurde der Großmeister Jacques de Molay in der Burg Chinon eingekerkert und im August 1308 neuerlich von Kardinälen des Papstes befragt. Das lange verschollene und erst 2001 im Geheimarchiv des Vatikan zufällig wiedergefundene und mit 17. August 1308 datierte sogenannte Chinon-Dokument belegt, dass der Papst daraufhin die Buße der Tempelritter akzeptierte, sie von jeder Schuld freisprach und ihnen die Absolution erteilte. Am 25. Oktober 2007 wurde dieses Dokument zusammen mit einer Reproduktion der Prozessakten in dem Buch „Processus contra Templarios“ in einer Auflage von 799 Stück veröffentlicht. Das 800. Exemplar wurde Papst Benedikt XVI. feierlich überreicht.

Dennoch gab Papst Clemens V. schließlich dem Druck des französischen Königs nach. Auf dem Generalkonzil von Vienne wurde mit der päpstlichen Bulle Vox in excelso am 22. März 1312 der Templerorden aufgehoben, um dem goldgierigen und damals finanziell klammen französischen Regenten die enormen Reichtümer des Ordens zuzuschanzen.

Im Dezember 1312 wurde das weitere Verfahren gegen den Großmeister und seine Getreuen einer Kardinalskommission übertragen. Am 18.März 1314 wurde das Urteil, das auf lebenslänglichen Kerker lautete, verkündet. Jacques de Molay und sein letzter noch lebender Gefolgsmann Geoffroy de Charnay widerriefen daraufhin öffentlich all ihre früher gemachten Geständnisse und beharrten auf der Unschuld ihres Ordens. Noch am Abend desselben Tages wurden sie auf Befehl Philipps IV. auf der Westspitze der Île de la Cité nahe der Pont Neuf öffentlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Geoffroy de Paris, ein damaliger Augenzeuge und Chronist, schildert das düstere Geschehen, wie folgt:

„Als der Großmeister die züngelnden Flammen sah, entkleidete er sich ohne zu zögern. Ich sage das, weil ich es mit eigenen Augen gesehen habe. Dann machte er sich, völlig nackt, mit feierlichem Schritt auf den Weg, das Gesicht durchgeistigt, ohne zu zittern, obwohl man an ihm zerrte und zog, ihn sogar auf das Gröbste misshandelte. Er wurde gepackt, von Kopf bis Fuß wie ein Paket verschnürt und an den Pfahl gebunden. Eben wollte man ihm die Hände mit einem Strick zusammenbinden, als er zum Henker sagte: «Lasst mich ein wenig die Hände falten, denn jetzt ist der Augenblick gekommen, dies zu tun. Ich stehe vor dem Tod. Gott weiß, dass ich unschuldig bin. Bald, in einem knappen Jahr, wird jene, die uns zu Unrecht verurteilt haben, ein großes Unglück treffen. Ich sterbe in dieser Überzeugung.» Und als sie ihm schließlich die Hände gebunden hatten, sagte er: «Meine Herren, ich bitte euch, dreht mein Gesicht Notre-Dame zu.»
Einen Monat später, am 20. April starb Clemens V. plötzlich in der Provence, im Alter von kaum fünfzig Jahren. Am 29. November desselben Jahres erlitt Philipp der Schöne in Fontainebleau einen tödlichen Jagdunfall. Nur 46 Jahre zählte der König, als er durch seinen Sturz vom Pferd bei der Wildschweinhatz das Leben verlor.“ (Lit.: Geoffroy de Paris: zit. nach Bruno Nardini, S. 202 - 203)

Durch das Leben der Templer und die grausame Art ihres Untergangs wurden zwei geistige Strömungen der Menschheitsentwicklung einverwoben, die für unser gegenwärtiges Bewusstseinsseelenzeitalter von nachhaltiger Bedeutung sind:

„Was in die ätherische Welt einfloß von den geistigen Impulsen der Templer, das lebte ätherisch weiter; und durch dieses Weiterleben im Ätherischen wurde manche Seele dazu bereitet, aufzunehmen die Inspirationen, die ich beschrieben habe, die aus den geistigen Welten von den Templerseelen selber kommen. Das ist der konkrete Vorgang, der sich abgespielt hat in der neueren Zeit.

In dasjenige, was aus den Templerseelen floß, ist aber immer mehr und mehr, und zwar gerade in der Breite des Lebens, eingeströmt dasjenige, was aus mephistophelisch-ahrimanischen Impulsen fließt, was durchtränkt ist von dem mephistophelisch-ahrimanischen Elemente, was inauguriert wurde auf den Folterbänken der Templer dadurch, daß sie unter der Folter Unwahres über sich selber aussagen mußten. Dies nicht allein, aber dies mit als einer der Gründe, der geistigen Gründe zum modernen Materialismus, dies gehört zu dem, was man verstehen muß, wenn man innerlich den Sinn der modernen materialistischen Entwickelung verstehen will.“ (Lit.: GA 171, S 208f)

Der Untergang des Templerordens ist nach Rudolf Steiner eine Wirkung des Sonnendämons Sorat, zu einer Zeit, in der sich zum zweiten Mal die Zahl des Tieres 666 erfüllt hat:

„Aber, meine lieben Freunde, die Zahl 666 ist einmal da in jener Zeit, in welcher der Arabismus hineinschießt in das Christentum, um der abendländischen Kultur das Siegel des Materialismus aufzudrücken, sie ist ein zweites Mal da, nachdem wieder 666 Jahre verlaufen sind: 1332, im 14. Jahrhundert (Tafel 6). Und da haben wir ein neues Erheben des Tieres aus den Fluten des Weltgeschehens heraus. Es erscheint demjenigen, der so schaut wie der Apokalyptiker, das Weltgeschehen wie ein fortwährendes Fluten einer Epoche von 666. Das Tier erhebt sich, bedrohend das Christentum mit seinem Suchen nach dem wahren Menschentum, geltend machend gegen das Menschentum das Tiertum; es regt sich Sorat. Im 14. Jahrhundert sehen wir wieder sich erheben den Sorat, den Widersacher.

Es ist die Zeit, in welcher aus tiefen Seelenuntergründen heraus, viel mehr als aus dem Orientalismus heraus, der Tempelherren-Orden in Europa stiften wollte eine Sonnenansicht des Christentums, eine Ansicht vom Christentum, die wiederum hinaufschaute zu dem Christus als einem Sonnenwesen, als einem kosmischen Wesen, die wiederum etwas wußte von den Geistigkeiten der Planeten und der Sterne, die wußte, wie im Weltengeschehen zusammenwirken die Intelligenzen weit auseinanderliegender Welten, nicht bloß die Wesenheiten eines Planeten, und die auch etwas wußte von den mächtigen Oppositionen, die stattfinden durch solche widerspenstigen Wesenheiten wie den Sonnendämon Sorat, der einer der mächtigsten Dämonen innerhalb unseres Systems ist. Im Grunde ist es Sonnendämonie, welche im Materialismus der Menschen wirkt. “ (Lit.: GA 346, S 119f)