Unsere Inszenierung

Aus Mysteriendramen

Hautnah am Publikum

Eine kleine, bunt gemischte Gemeinschaft von Menschen hat sich zusammengefunden, um Rudolf Steiners Mysteriendramen künstlerisch zu erforschen. Darunter sind erfahrene Anthroposophen und solche, die der Anthroposophie erstmals begegnet sind. Manche haben bereits langjährige Bühnenerfahrung, andere treten zum ersten Mal auf „die Bretter die die Welt bedeuten“. Profis sind wir also nicht, aber Menschen mit Herz, die eine gemeinsame Begeisterung entflammt, beseelt von der Hoffnung, an der künstlerischen Arbeit mit Steiners Dramen selbst zu reifen und die Früchte unseres Tuns mit dem Publikum zu teilen. Wir haben uns dazu im Lauf mehrerer Jahre mit wachsender Intensität vorbereitet, in denen wohl auch ein Hauch jenes Gemeinschaftsgeist herangewachsen sein mag, der die Darsteller ergriffen hatte, die gemeinsam mit Rudolf Steiner die Uraufführung des Werkes gestalten durften und von denen auch die wenigsten ausgebildete Schauspieler waren:

„Wer solche Aufführungen sieht, denkt vielleicht nicht immer daran, daß es lange dauert, bis das, was zuletzt sich dem Auge in wenigen Stunden darbietet, wirklich auf der Bühne steht. Und die Art und Weise, wie unsere lieben Freunde hier an diesem Orte zusammenarbeiteten, um das Werk zustande zu bringen, sie darf in einer gewissen Beziehung immer wieder für die anthroposophische Arbeit, vielleicht auch für das menschliche Zusammenwirken, als Vorbild bezeichnet werden. Insbesondere deshalb, weil es einem richtigen anthroposophischen Empfinden widerstreben würde, bei dieser Arbeit in irgendeiner Weise zu kommandieren. Da ist ein Fortschritt nur dann möglich, wenn die einzelnen Freunde mit ihrem Herzen voll dabei sind, in ganz anderer Weise, als das auf einem ähnlichen künstlerischen Felde jemals der Fall sein könnte. Und dieses Voll-dabei-Sein, nicht nur in den wenigen Wochen, die uns zur Verfügung stehen, um die Aufführungen vorzubereiten, sondern dieses Voll-dabei-Sein, dieses freie herzliche Zusammenwirken, es dauerte Jahre hindurch.“ (Lit.:GA 122, S. 16)

Es muss wohl kaum erwähnt werden, dass wir unsere Arbeit mit den breit angelegten, aufwändigen Inszenierungen von Steiners Mysteriendramen auf der Bühne des Dornacher Goetheanums nicht vergleichen können und wollen und das läge auch weit außerhalb unserer künstlerischen und finanziellen Mittel. Unser Anspruch ist auch ein ganz anderer, bescheidener und zugleich sehr ursprünglicher und fordert entsprechend andere Stilmittel. Wir spielen vornehmlich auf kleineren Bühnen, verzichten auf eurythmische Darstellungen und suchen dafür die intime seelische Nähe zum Publikum, mit dem wir gleichsam in ein vertrauliches geistiges Zwiegespräch treten wollen, eingedenk dessen, was Rudolf Steiner einmal sagte anlässlich einer Aufführung von Édouard Schurés Die Kinder des Luzifer:

„Die Hauptsache, das dürfen wir nicht vergessen, sind nicht diejenigen, die darstellen, nicht diejenigen, die die Dinge machen [...] Die Hauptsache sind die Zuhörer und Zuschauer. Und die Hauptsache ist, daß durch die Seelen und durch die Herzen der Zuschauer ein gemeinschaftliches Leben geht; ein Leben, das diese Herzen fähig macht, jene geheimnisvollen Strömungen, die von dem Werke ausgehen, nicht nur zu empfinden, sondern in Gemeinschaft, in innerer Harmonie zu empfinden.“ (Lit.:GA 113, S. 13)

Symbolhafter Charakter der Darstellung

Eine besondere Schwierigkeit der Darstellung liegt darin, dass bei einem Mysteriendrama naturgemäß weite Teile der Handlung nicht als äußere sinnlich erlebbare Geschehnisse aufzufassen sind, sondern eine geistige Entwicklung zeigen, die nur in innerer Seelendramatik errungen und erlebt werden kann. Das Bühnengeschehen nimmt dadurch notwendig einen symbolhaften Charakter an, der aber weder zur strohernen Allegorie verblassen, noch mit derber äußerer Realität verwechselt werden darf, sondern vielmehr dem Publikum einen unmittelbar mitfühlenden Blick in die innerste Seele der handelnden Personen eröffnen soll. Damit das gelingen kann, muss sich das Wort selbst zum imaginativen symbolischen Bild gestalten.

Das Wort, die lebendig erlebte und gestaltete Sprache ist darum die zentrale und unerschöpflich neu inspirierende Lebensquelle unserer Inszenierung. Alles, was wir brauchen, ist mit dem Text des Dramas selbst, wenn auch zunächst verhüllt, bereits gegeben. Es gilt, ihn rein aus der künstlerischen Formkraft des Wortes zum Leben zu erwecken und in zeitgemäßer Sprache zu konkreten lebendigen Bildern zu verdichten, die unverstellt und hautnah tiefe geistige Wahrheiten offenbaren, die auch den wesentlichen Gehalt der Anthroposophie bilden.

Die sinnlich-sittliche Wirkung der Farben

Einen sehr wesentlichen Bestandteil unserer Inszenierung bildet die Lichtgestaltung. Die Seele lebt und webt in flutenden Farben, welche die bewusst sehr karg ausgestattete Bühne beleben und zum Spiegel der wechselnden seelischen Stimmungen der handelnden Personen machen. Goethe nennt das in seiner Farbenlehre die "sinnlich-sittliche Wirkung der Farben". Die Färbungen des Bühnenraumes geben dabei zunächst eine jeweils ganz bestimmte Grundstimmung vor, die sich aber durch das Spiel und die Rede der Darsteller im Erleben des Publikums beständig in feinen Graden lebendig nuanciert, besonders auch dadurch, dass sich mit jeder kleinsten Bewegung der Schauspieler die vielfältigen farbigen Schatten, die sie werfen, neu formen und schattieren. Zugleich regt die farbige Bühnenatmosphäre das eigene innere Erleben der Darsteller an. Jede Geste, jede kleine Kopfbewegung wird Ausdruck dieses inneren seelischen Erlebens und die Farben verstärken diese seelischen Wirkungen, die von den Darstellern ausstrahlen und formen sie zum bewegten imaginativen sinnlich-seelischen Bild.

Rudolf Steiner hat auf diese fundamentale Bedeutung der Lichtregie sehr nachdrücklich hingewiesen:

„Für die Gestaltung der Dichtung auf der Bühne bedarf die Regiekunst des Einlebens in die Welt der Farbe. Das kommt für die Kostümierung der Personen ebenso in Betracht wie für das dekorative Bühnenelement. Denn für den Zuschauer muss das, was er als Wort hört, als Geste sieht, mit der Gewandung des Schauspielers und mit dem plastisch-malerischen Bühnenbild zu einem Ganzen sich verweben.

Da kommt es auf die Möglichkeit an, in der Farbentönung Stil zu entfalten. Deshalb muss die Bühnenkunst sowie die Malerei jenen Übergang verstehen, der von dem Anschauen (Wahrnehmen) der Farbe an den Dingen und Vorgängen der Aussenwelt zu dem Erleben des Inneren der Farbe führt.

Eine tragische Stimmung in einem rötlich oder gelblich gehaltenen Bühnenbild ist unmöglich. Eine heitere Seelenverfassung auf blauem oder dunkelviolettem Hintergrund ebenso.

In der Farbe lebt das Gefühl auf räumliche Art. Wie der Anblick des Roten eine heitere Grundstimmung der Seele, des Blauen eine ernste, des Violetten eine feierliche auslöst, so fordert das liebend-hingebende Verhalten einer Person zu einer andern die räumliche Verkörperung in der rötlich gehaltenen Gewandung und in der ebenso rötlich gehaltenen Tönung der dekorativen Umgebung. Das verehrend-andächtige Erleben einer Person fordert für beides eine bläulich gehaltene Tönung.

Ein ähnliches gilt für den zeitlichen Ablauf der dramatischen Handlung. Geht diese von dem allgemeinen Interesse, das man im Anfange an Charakteren und Handlung nimmt, zu tragischen Katastrophen über, so entspricht dem ein Übergang in der Tönung von den hellen gelblich-roten, gelblich-grünen Farben zu den grünlich-blauen und blau-violetten. — Der Fortgang in der Stimmung zu einem heiter-befriedigenden Lustspielende fordert den Übergang in der Farbentönung vom grünlichen zum gelbroten oder rötlichen.

Doch damit ist nur ein Gesichtspunkt angedeutet. Zu diesem kommt der andere, dass in dem Nebeneinanderstehen der Charaktere diese in der Farbentönung sich offenbaren.

Man wird einen zornmütigen Menschen nicht in blauer Gewandung auftreten lassen, sondern in einer solchen mit heller Farbentönung, wenn man es mit einer tragischen Grundstimmung zu tun hat. Man kann aber einen zornmütigen Menschen, wenn die Dichtung es fordert, auch im ernst-feierlichen Blau erscheinen lassen. Er wird dann humoristisch wirken.

Ein freudig erregter Mensch auf einem blauen Hintergrunde, ein traurig gestimmter auf einem gelben wirken so, wie wenn sie in ihrer Umgebung nicht am rechten Platze wären; man lächelt über den ersteren und bemitleidet den zweiten.

Diese feinen Wirkungen spielen sich zwischen Bühne und Zuschauern ab. Ihre künstlerisch-phantasievolle Erkenntnis gehört zu dem, was die Regiekunst ausmacht.

In der Licht- und Farbentönung dessen, was gleichzeitig auf der Bühne erscheint, kombiniert und harmonisiert mit derjenigen, die sich auf das in der Zeit Verlaufende bezieht, wird sich der ganze Fortgang der dramatischen Handlung von einer Seite aus offenbaren lassen.“ (Lit.:GA 280, S. 219ff)

Sprachgestaltung

Grundlegend für unsere Bühnenarbeit ist die von Rudolf Steiner gemeinsam mit Marie Steiner inaugurierte und von Karl Rössel-Majdan und Michail Cechov weiterentwickelte Sprachgestaltung, die uns das nötige handwerkliche Rüstzeug gibt und zu einem tieferen Erfassen des Sprachwesens führt. Und dabei gilt es eines zu beachten, auf das Rudolf Steiner ganz besonders hinweist:

„Aber derjenige, der zum bühnenmäßigen Sprechen kommen will, muß wiederum von der Sinn-, von der Ideenbedeutung zu der Laut-, zu der Wortbedeutung zurückkommen.“ (Lit.:GA 282, S. 150)

Gelingt es, den Klang, die Formkraft und den Rhythmus der Sprache klar und zeitgemäß, ohne falsches Pathos, einfühlsam in bewegte farbenreiche Bilder zu verwandeln, so kann ein Schauspiel entstehen, das im unmittelbaren Hören und Schauen mit offenem Herzen mitempfunden und verstanden werden kann - auch von Menschen, die der Anthroposophie vielleicht noch ferne stehen. Das Übersinnliche, also das, was geistig dem Stück zugrunde liegt und seelisch die handelnden Charaktere bewegt, offenbart sich augenblicklich und ohne weiteres Nachdenken als sinnlich erlebbares Phänomen im Klang der Sprache und in den bewegten Farben und Formen des Bühnengeschehens, in der Bühnenarchitektur und in den Kostümen und Lichtstimmungen. In der Kunst, wie sie unsere Zeit unausgesprochen fordert, muss sich der Sinn den Sinnen eröffnen, aber nicht durch bloße detailverliebte Naturtreue, sondern nur so sparsam skizzenhaft angedeutet, dass, frei von allem nur zufälligen Ballast, umso stärker die exakte sinnliche Phantasie angeregt wird, durch die sich erst das Wesentliche, das eigentlich geistig Wesenhafte für den beseelten Blick enthüllt - das ist der Kern der goetheanistischen Methode, die uns leitet. Nur so entsteht eine gesunde, reichhaltige Basis für ein späteres, durchaus gewünschtes Nachdenken – und dafür bietet Die Pforte der Einweihung mehr als genug Stoff. Wie man die dramatische Handlung dem Publikum nahebringt, muss den Künstler vor allem interessieren. "Das was bedenke, mehr bedenke wie" sagt schon Goethe. Statt klügelnd zu interpretieren, wollen wir lieber charakterisieren - urteilen soll der Zuschauer dann selbst nach seinem eigenen freien Ermessen.

Die Mysteriendramen sind keine Lese-Dramen, sie verlangen nach dem gesprochenen Wort. Im bloßen Lesen sind sie nur schwer und unvollständig zu verstehen - selbst für geübte Leser von Steiners Werken. Ihr wahrer Sinn offenbart sich erst durch die gestaltete Sprache. Was wir im Sinne Steiners daher wieder erreichen müssen, ist das unmittelbare Verstehen im Hören, ohne dass sich dabei ein abgesonderter Gedankenprozess dazwischen schiebt:

„Wir haben vor allen Dingen zu berücksichtigen, daß im Künstlerischen alles wahrnehmbar, anschaulich sein muß, daß dasjenige, was Inhalt des Künstlerischen ist, da sein muß in der unmittelbaren Darstellung. In dem Augenblicke stehen wir nicht mehr in der Kunst drinnen, wenn der Zuschauer oder Zuhörer aus seinem Eigenen heraus etwas ergänzen muß, wenn der Zuhörer oder Zuschauer zum Beispiel bei der Bühnenkunst genötigt ist, irgend etwas zu konstruieren, damit er die eine oder die andere Person verstehe. Alles, was dem Zuhörer gegeben werden soll, soll in der künstlerischen Darstellung selber liegen. Der Bühnenkünstler hat zur Verfügung das Wort, das Wort in seiner Gestaltung, das Mimische, die Geste, Gebärde. Und eine ehrliche Kunst muß suchen, in diesen Mitteln der Bühnenkunst alles zur Offenbarung zu bringen, was an den Zuhörer oder Zuschauer herangebracht werden soll.

Dem widerspricht in unserer gegenwärtigen Zivilisation gar manches. Vor allen Dingen widerspricht ihm, daß wir gegenwärtig eigentlich im unmittelbaren Leben keine Laut- und Wortempfindung mehr haben, sondern eigentlich eine Ideenempfindung. Wir empfinden durch das Wort durch zum Sinn des Wortes hin, zu der Idee des Wortes. Wir haben eigentlich das Verstehen im Hören ganz verlernt und wollen im gewöhnlichen Leben überhaupt nurmehr das Hören im Verstehen vertragen.“ (Lit.:GA 282, S. 145)

Die Mysteriendramen erfordern dazu einer besonderen Behandlung der Sprache, die Rudolf Steiner später in den gemeinsam mit Marie Steiner gehaltenen Kursen für Sprachgestaltung ausführlich erläutert hat. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist, dass alles, was sich auf der physischen Ebene abspielt, eine sehr plastische, stark konturierte konsonantische Sprache verlangt, während Texte, die sich auf das Sittlich-Relgiöse beziehen, einer mehr musikalisch-vokalischen Sprechweise bedürfen. Will man aber die Handlung in die geistige Welt hinaufführen, so muss man zu einer Synthese dieser beiden Sprachformen kommen:

„So wird das Bild, das sich da abspielt als das siebente meines Mysteriendramas «Die Pforte der Einweihung», durchaus als das Abbild geistiger, aber durch den physischen Menschen hindurch wirkender Impulse anzusehen sein. Wenn man nun nicht aus irgendwelchen Phantasien oder aus einer nebulosen Mystik heraus symbolisch oder allegorisch oder irgendwie anders solche Darstellungen des Übersinnlichen gibt, sondern wenn man sie aus den wirklichen Erfahrungen der übersinnlichen Welt heraus gibt, dann ist man genötigt, zu ganz anderen Vorstellungen zu greifen als diejenigen sind, die man sonst im physischen Leben zu verwenden hat. Im physischen Leben fallen jene Vorstellungen auseinander, die sich auf das moralisch-religiöse Leben beziehen. Sie haben einen mehr ungestalteten Charakter, haben einen Charakter der Abstraktheit, des Unanschaulichen. Dagegen jene anderen Vorstellungen, die sich auf die Natur beziehen, haben einen anschaulichen Charakter, der ihnen scharfe Konturen gibt und so weiter. Wer ein Gefühl dafür hat, wie sich im Anhören das konturierte Wort abhebt von dem gestaltlosen Wort, von dem mehr musikalisch zu empfindenden Wort, der wird überall bemerken die Übergänge von diesem innerlich plastischen zu dem innerlich musikalischen Worte. Ist man aber genötigt, die Handlung in die geistige Welt hinaufzuführen, dann muß man gewissermaßen eine Synthese fassen. Man muß die Möglichkeit finden, die Plastik des Wortes soweit aufzulösen, daß sie sich als Plastik nicht verliert, aber man muß sie doch dahin bringen, daß sie unmittelbar zugleich musikalisch wird. Eine plastisch-musikalische Sprechweise muß Platz greifen, denn man hat es nicht mit dem Auseinanderfallen des Sittlich-Religiösen und des Natürlich-Physischen zu tun, sondern mit einer synthetisch zusammenfallenden Reihe. Und so werden Sie denn in dieser Szene, die nun zur Rezitation kommt, hören, wie im Grunde genommen aus einem ganz anderen inneren Vorstellungsleben heraus dargestellt wird, als das gewöhnliche des Alltags ist, oder als dasjenige der gewöhnlichen Dramatik ist. Es wird aus einem Vorstellungsleben heraus gesprochen und dargestellt, welches in einem enthält dasjenige, was Natur, elementarische Naturgewalten, elementarische Naturkraftungen sind, und das, was durch diese elementarischen Naturkraftungen zugleich moralischethische Bedeutung hat. Das Physische wird zu gleicher Zeit sittlich, das Sittliche wird in physische Bildlichkeit heruntergeholt. Man kann nicht mehr unterscheiden in dieser Sphäre zwischen dem, was physisch sich abspielt, und dem, was ethisch sich abspielt, denn das Ethische spielt sich in Form des Physischen, das Physische spielt sich im Gebiete des Ethischen ab. Das aber erfordert eine ganz besondere Behandlung der Sprache, und diese Behandlung der Sprache kann gar nicht anders als so erfolgen, daß man überhaupt bei einer solchen Darstellung künstlerisch nicht im allergeringsten mehr von dem Gedanken ausgeht.

Nicht wahr, ich darf von den Erfahrungen reden, die ich an dem Ausgestalten meines Dramas selbst gemacht habe. Ich darf also sagen: Darinnen lebt kein Gedanke, sondern alles dasjenige, was Sie nun auch rezitiert und deklamiert hören werden, wurde so gehört, allerdings geistig gehört, wie es hier unmittelbar erklingt. - Also es handelt sich nicht etwa um das Fassen eines Gedankens, der dann erst in Worte umgesetzt wird, sondern es handelt sich um das Anschauen desjenigen, was Sie nun dargestellt vernehmen werden, um das anzuschauen gerade in derselben Art und Weise innerlich klingend und innerlich sich gestaltend, wie es zur Darstellung kommt. Man hat nichts zu tun bei einer solchen Darstellung, als lediglich dasjenige, was so innerlich im Schauen auftritt, äußerlich abzuschreiben.“ (Lit.:GA 281, S. 10f)

Humor und Temperament

Ohne Temperament und Humor kann kein Schauspiel gelingen, schon gar nicht, wenn es sich um ein ernstes Thema handelt. Mit einem "langen Gesicht bis ans Bauch", wie Steiner oftmals ironisch sagte, ist in der Kunst nichts zu erreichen.

„Und wahrhaftig, es ist nötig, gerade wenn man in die Tiefen der geistigen Wissenschaft hineingeht, daß man den Humor nicht verlernt, daß man mit anderen Worten sich nicht ständig verpflichtet fühlt, das tragisch verlängerte Gesicht nur zu tragen.“ (Lit.:GA 169, S. 125)

Die Angst, vielleicht etwas falsch zu machen, darf niemand während der Probenarbeit lähmen, sonst wird alles steif und leblos, höchstens lehrhaft, aber niemals echt und überzeugend. Wenn man dem Werk gerecht werden will, muss man, bei aller Ehrfurcht und Ernsthaftigkeit im Herzen, die Dinge völlig ungeniert, ja geradezu respektlos, mit kindlich spielerischer Freude anpacken, dann erst kommt der schöpferische Prozess in Bewegung. Eine Rolle will geboren werden – und Neugeborene sind nun einmal anfangs noch recht unbeholfen und später wohl auch ein wenig frech und rebellisch. Und wenn derart anfangs auch manches misslingt – und das wird meist so sein – ist es wohltuend und befreiend, wenn man auch, gemeinsam mit den Kollegen, herzlich über sich selbst lachen kann. Das schafft zugleich, wenn es natürlich frei von jeder hämischen Schadenfreude bleibt, jene gelöste, vertraulich heitere seelische Atmosphäre, in der erst der Gemeinschaftsgeist des Ensembles reifen kann. Das Werk - jedes - muss man ernst nehmen, sich selbst in seiner Fehlbarkeit nicht immer gar so sehr. Und gerade am scharfen Kontrast der oft sehr amüsanten Fehler, die einem passieren, lernt man am besten und schnellsten den rechten Weg zu finden. Steiner, der selbst ein äußerst humorvoller Mensch war und auch vor deftigeren Scherzen nicht zurückschreckte, wusste das genau:

„Und das ist es, meine lieben Freunde, was zur Kunst, insofern der Mensch diese Kunst ausüben soll, überhaupt gehört, und was man wissen muß, daß es dazu gehört: Temperament. Meinetwillen kann einer mystische Bücher temperamentlos schreiben. Wenn sie jemand gefallen, nun ja, gut; man sieht ja den nicht, der da schreibt. Aber an denjenigen Künsten, wo der Mensch sich selber herausstellt, gehört zur Kunst Temperament, und das gesteigerte Temperament, der Humor. Da können dann die Dinge beginnen, esoterisch zu werden.“ (Lit.:GA 282, S. 221f)

Jedenfalls sollte man niemals in das verfallen, was Rudolf Steiner gelegentlich «das Esoterikspielen» genannt hat:

„Esoterik ist wirklich sowohl gegenüber der eigenen Seele, wie gegenüber dem Menschen und gegenüber unserer Zeit eine außerordentlich ernste Sache. Damit sage ich nicht, daß der Ernst dadurch zustande kommt, daß man ein langes Gesicht macht und möglichst sentimental ist und wichtig tut, sondern es muß der innere Ernst, der sogar mit ganz gutem Humor vereinbar ist, vorhanden sein. Es darf zum Beispiel nicht der Usus herrschen: Ich weiß etwas, das kann ich dir aber nicht sagen, weil du noch nicht reif bist dazu. - Und nun erregt man die sonderbarsten Gefühle dadurch. Vor allen Dingen macht man sich ungeheuer wichtig, und man merkt es nicht, daß man sich wichtig macht.“ (Lit.:GA 260a, S. 124f)

Und nicht zufällig, sondern einer inneren künstlerischen Notwendigkeit folgend, thront ganz oben an der Spitze der von Rudolf Steiner geschaffenen monumentalen Holzplastik des Menschheitsrepräsentanten, spöttisch herabblickend, der "Weltenhumor", von dem Steiner sagt:

„Dieses Hinunterschauen mit Humor über den Felsen hat seinen guten Grund. Es ist durchaus nicht richtig, sich in die höheren Welten nur mit einer bloßen Sentimentalität erheben zu wollen. Will man sich richtig in die höheren Welten hinaufarbeiten, so muß man es nicht bloß mit Sentimentalität tun. Diese Sentimentalität hat immer einen Beigeschmack von Egoismus. Sie werden sehen, daß ich oftmals, wenn die höchsten geistigsten Zusammenhänge erörtert werden sollen, in die Betrachtung etwas hineinmische, was nicht herausbringen soll aus der Stimmung, sondern nur die egoistische Sentimentalität der Stimmung vertreiben soll. Erst dann werden sich die Menschen wahrhaftig zum Geistigen erheben, wenn sie es nicht erfassen wollen mit egoistischer Sentimentalität, sondern sich in Reinheit der Seele, die niemals ohne Humor sein kann, in dieses geistige Gebiet hineinbegeben können.“ (Lit.:GA 181, S. 316f)

Ein Zündholz für die Anthroposophie

Wir wollen mit unserer Inszenierung nicht nur den Intellekt, sondern auch unmittelbar das menschliche Gemüt so ansprechen, dass es die Herzen entzündet und öffnet für die geistigen Hintergründe des Daseins, mit einer solchen inneren Seelenstimmung, wie sie Rudolf Steiner 1923 in seinen - bezeichnenderweise gerade in Wien - gehaltenen Vorträgen über Die Anthroposophie und das menschliche Gemüt so treffend charakterisiert hat:

„Denn eigentlich ist alle Anthroposophie ziemlich vergeblich in der Welt und unter den Menschen, die nicht mit dem Gemüte aufgefaßt wird, die nicht Wärme hineinträgt in dieses menschliche Gemüt. Gescheitheit haben die letzten Jahrhunderte reichlich über die Menschen gebracht; im Denken sind die Menschen so weit fortgeschritten, daß sie schon gar nicht mehr wissen, wie gescheit sie sind. Das ist schon so. Gewiß glaubt mancher, die Menschen wären dumm in der Gegenwart. Es mag zwar zugegeben werden, daß es auch Dumme gibt, aber dies ist eigentlich nur aus dem Grunde, weil die Gescheitheit so groß geworden ist, daß die Menschen aus einer Schwäche ihres Gemütes heraus mit ihrer Gescheitheit nichts anzufangen wissen. Ich sage immer, wenn es von jemandem heißt, er wäre dumm: Da ist nichts anderes im Spiele, als daß der mit seiner Gescheitheit nichts anzufangen weiß. Ich habe schon vielen Verhandlungen zugehört, wo über den einen oder andern Redner deshalb gelacht worden ist, weil man ihn für dumm hielt, manchmal aber erschienen mir die, über die man am meisten lachte, wirklich als die Gescheitesten. Gescheitheit also haben die letzten Jahrhunderte den Menschen genug gebracht. Was sie aber heute brauchen, ist Wärme des Gemütes, und die kann die Anthroposophie geben. Wenn jemand Anthroposophie studiert und sagt, sie lasse ihn kalt, dann kommt er mir vor wie einer, der Holz in den Ofen legt und wieder Holz hineinlegt und dann sagt: Es wird ja ewig nicht warm. - Aber er sollte nur das Holz anzünden, dann wird es schon warm werden! Die Anthroposophie kann man vortragen, sie ist das gute Holz der Seele; aber anzünden kann es jeder nur selber. Das ist das, was jeder in seinem Gemüte finden muß: das Zündholz für die Anthroposophie. Wer die Anthroposophie kalt und nüchtern und intellektuell findet, dem fehlt nur die Möglichkeit, diese sehr brennende, sehr wärmende und das Gemüt durchseelende Anthroposophie anzuzünden, so daß sie ihn mit ihrem Feuer durchglühen kann. Und so wie man für das gewöhnliche Holz nur ein kleines Zündholz braucht, so braucht man auch für die Anthroposophie nur ein kleines Zündholz. Damit aber werden wir die Michael-Kraft im Menschen entzünden können.“ (Lit.:GA 223, S. 121f)